Im Gespräch mit… Leon Wiersch, Detlev Blenk und
Christian Lemkens
PROUT AMPLIFIER
Im Zuge unseres PROUT AMPLIFIER Projekts sprechen wir nicht nur mit ausgezeichneten PROUT PERFORMERN, sondern auch mit engagierten Personen, die noch nicht so viel Gehör finden, aber mindestens genauso wichtige Arbeit für Queer Diversity im Unternehmen leisten. Detlev Blenk, Equality, Diversity und Inclusion Manager bei IKEA, stellt uns seine Kolleg_innen Christian Lemkens und Leon Wiersch vor, die insbesondere in ihren Aufgabenfeldern beispielhafte Arbeit für queere Vielfalt und Chancengleichheit am Arbeitsplatz leisten. Gemeinsam mit ihnen haben wir über ihr Engagement bei IKEA und ihre Motivation dahinter gesprochen.
Welchen Stellenwert haben Vielfalt und Queerfreundlichkeit in
Eurem Unternehmen?
Detlev: Der Einzelhandel generell beschäftigt überdurchschnittlich viele queere Menschen, das ist bei IKEA ganz genauso. Aufgrund von globalen Erhebungen gehen wir von 10 bis 13% aus. Schon allein diese große Zahl setzt einen besonderen Fokus auf unsere Vielfalts- und Inklusionsaktivitäten. Unser Credo: Alle Menschen sollen bei IKEA so sein dürfen, wie sie sind – unabhängig von Alter, Herkunft, Geschlecht, sexueller oder geschlechtlicher Identität und körperlichen bzw. geistigen Möglichkeiten.
Welche Werte prägen Euren Arbeitsalltag und wie werden diese
gelebt?
Detlev: Die Kultur bei IKEA ist sehr stark durch die Werte bestimmt. Diese finden ihren Ursprung in Schweden und prägen unser Miteinander, unsere Begegnungen mit Kund_innen, Bewerber_innen und Suppliern.
Was macht Leon und Chris zu Role Models bzw. warum sollten
genau ihre Perspektiven gehört und gesehen werden?
Detlev: Ich fand das Vorhaben, mal nicht die üblichen Gesichter aus den oberen Führungsetagen in den Fokus zu setzen, toll, sondern gerade die zu Wort kommen zu lassen, die im Unternehmen, auf queeren Messen oder anderen Veranstaltungen für die queere Gemeinschaft so viel leisten und bewirken. Leon und Chris sind hier zwei von vielen Kolleg_innen, die sich entweder lokal in einem IKEA Store oder als Mitglied in der Netzwerkleitung unseres queeren Mitarbeitenden-Netzwerks mit großer Leidenschaft einbringen.
Gibt es einen speziellen Moment (oder auch ein gemeinsames
Projekt/eine aktuelle Kooperation) mit ihnen, von dem Du
berichten möchtest?
Detlev: Chris hat fast im Alleingang den operativen Teil für unsere nationale Teilnahme an den CSDs in Berlin und Köln gestemmt und die Kolleg_innen auf den Trucks mitreißend für eine bunte und vielfältige Welt motiviert. Leon ist für seinen IKEA Store ein großer Treiber von Vielfalt und Inklusion und bringt dort ganz viele Ideen ein.
Was kannst Du als etablierter PROUT PERFORMER von Kolleg_innen lernen? Vielleicht gerade von jüngeren oder von solchen aus
völlig anderen Betätigungsfeldern? Wo macht es Sinn,
(noch enger) zusammenzuarbeiten?
Detlev: Wir lernen viel voneinander. Als Mittfünfziger und Schwuler habe ich andere Erfahrungen im Leben gemacht als Chris und Leon. Ihre queeren Erfahrungen sind breitflächiger und nicht nur auf das „G“ in LGBTQIA+ konzentriert. Da lerne ich immer wieder gerne dazu. Und natürlich stehen sie neun Stunden auf einem CSD-Truck noch viel entspannter durch als ich. Jede_r bringt sich hier mit ihren_seinen Möglichkeiten und Erfahrungen ein – ganz im Sinne von IKEA: „You do your part, we do our part, together we create a better world for the many people“.
Welchen Job macht Ihr aktuell bei IKEA und wie lange seid Ihr
schon im Unternehmen?
Christian: Insgesamt bin ich jetzt ziemlich genau 15 Jahre dabei. Seit Februar 2023 als IKEA for Business Country Specialist. In dieser Funktion arbeite ich eng mit unterschiedlichen Schnittstellen (z.B. Marketing oder Customer Fullfillment aber auch den lokalen Einrichtungsmärkten) zusammen und setze gemeinsam mit den Kolleg_innen die Geschäftsstrategie und Unternehmensziele um.
Leon: Auch ich feiere gerade ein kleines Jubiläum. Ich bin seit zwei Jahren mit an Bord. Ursprünglich habe ich Produktdesign studiert. Mittlerweile arbeite ich – quasi im Que(e)reinstieg – als Visual Merchandiser (Communication and Interior Design). Das heißt grob gesagt, ich bin mit dafür verantwortlich, dass IKEA aussieht wie IKEA.
„Als Mittfünfziger und Schwuler habe ich andere Erfahrungen im Leben gemacht als Chris und Leon. Ihre queeren Erfahrungen sind breitflächiger und nicht nur auf das „G“ in LGBTQIA+ konzentriert.“
Wie erlebt Ihr Queer-Sein bei der Arbeit? Ist das ein Thema, das im
Alltag Relevanz hat? Falls ja: In welchen
Zusammenhängen/Situationen?
Christian: Unser Arbeitsalltag ist bestimmt von Vielfalt und Werten. Ich habe vollen Rückhalt durch meine direkte Führungskraft und unsere Landesleitung. An Situationen kann ich es gar nicht festmachen, da es bei uns ganz normal ist, so zu sein, wie man sein möchte.
Leon: Tatsächlich ist das Thema für mich gar nicht so von Belang. Der Umgang miteinander ist locker und freundlich. Dass alle sich duzen, offen „Flagge zeigen“ und es eine offene Feedback-Kultur gibt, hilft sehr. Klar werden von Kolleg_innen immer mal wieder Fragen gestellt. Nicht übergriffig, sondern aus echtem Interesse. Aber dabei hat man dann ja auch die Möglichkeit, Educator zu sein – das finde ich total schön.
Gab/gibt es beim Thema „Out im Job“ Herausforderungen (generell/für Euch persönlich)? Wie meistert Ihr diese?
Christian: Ich bin von Anfang an offen mit dem Thema umgegangen und habe deshalb nie Ablehnung erfahren. Allerdings geht es scheinbar nicht allen Kolleg_innen so. Bei einer Infoveranstaltung für Allies haben fast 10% der Teilnehmenden auf die Frage „Würden deine Kolleg_innen positiv reagieren, wenn du ihnen deine_n (gleichgeschlechtliche_n) Partner_in vorstellen würdest?“ mit „Nein.“ geantwortet. Und die Hälfte hat Angst, dass sie deswegen ausgegrenzt oder verspottet würde. Das ist auf jeden Fall ein Zeichen, dass wir noch einiges an Aufklärungsarbeit vor uns haben.
Leon: Ich denke, für viele ist das innere Coming Out der schwierigste Teil. Bevor man nach außen geht, muss man zuerst selbst verstehen, dass man sich für Dinge nicht schämen braucht. Am Ende hat man den Schlüssel zum eigenen Käfig in vielen Fällen selbst in der Hand.
Wenn es eine Sache gäbe, die Ihr Euch in diesem Zusammenhang
wünschen dürftet, was wäre das?
Christian: Ich würde mir total wünschen, dass sich niemand wegen der eigenen Identität rechtfertigen oder schämen muss. Jede Person soll so leben, wie sie es möchte. Eigentlich würde ich mir auch wünschen, dass wir überhaupt nicht mehr über solche Themen reden müssen. Es sollte mittlerweile normal sein. Bis es das ist, werde ich auf jeden Fall weiter dafür kämpfen.
Leon: Jedes Coming Out hilft, mit Stereotypen zu brechen. Die Entscheidung dazu sollte natürlich bei jeder_jedem selbst liegen. Queerness ist ja super breit gefächert – ein Spektrum. Und viele Teile davon sind total unterrepräsentiert. Ich wünsche uns allen den Mut, dass wir uns frei auf diesem Spektrum bewegen und Veränderungen zulassen können.
„Queerness ist ja super breit gefächert – ein Spektrum. Und viele Teile davon sind total unterrepräsentiert. Ich wünsche uns allen den Mut, dass wir uns frei auf diesem Spektrum bewegen und Veränderungen zulassen können.“
Wie engagiert Ihr Euch bei IKEA für queere Belange? Worauf seid
Ihr dabei besonders stolz?
Christian: Ich bin mit vollem Herzblut in unserem Pride-Netzwerk aktiv und es macht mich sehr stolz zeigen zu dürfen, dass wir alle Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit respektieren und schätzen. Wir versuchen, Sichtbarkeit für unsere Themen zu schaffen und uns für mehr Toleranz und Verständnis im Umgang miteinander einzusetzen. Seitdem das Netzwerk von der Deutschland-Zentrale aus gesteuert wird, ziehen auch die Einrichtungshäuser vor Ort mehr und mehr nach und gründen lokale Diversity-Gruppen. Das ist eine tolle Entwicklung, die wir natürlich gerne unterstützen.
Leon: Da kann ich direkt einhaken. Nach meiner ersten Teilnahme am CSD wollte ich den Spirit unbedingt zurück mit nach Wuppertal nehmen und mich in einer Diversity-Gruppe vor Ort einbringen. Der Gedanke ist toll, aber die Umsetzung – sprich die Gründung und Organisation – ist gar nicht so einfach. Da hat uns das Netzwerk – allen voran Detlev – super unterstützt und hilfreiche Tipps gegeben. Ab dem nächsten Geschäftsjahr soll dann tatsächlich in jedem Store eine lokale Diversity-Gruppe fest verankert werden.
Gibt es eine spezielle Aktion/Projekt/Fortschritt, von dem Ihr
erzählen möchtet?
Christian: Worüber ich mich sehr freue, ist, dass wir unser Pride-Netzwerk letztes Jahr reaktiviert haben. Es finden wieder viel mehr Aktivitäten in unseren Units zum Thema Diversity am Arbeitsplatz statt und wir haben an den CSDs in Köln und Berlin teilgenommen. Es gab vor vielen Jahren schon einmal eine Pride-Gruppe, aber leider ist die Arbeit irgendwann „eingeschlafen“. Jetzt sind wir wieder da und lauter als je zuvor. Mit dem Start unseres neuen Geschäftsjahres im September bin ich Teil der Landesleitung unseres Pride-Netzwerks und habe bereits viele tolle Ideen, wie wir das Thema sichtbarer machen und auch unsere Kund_innen einbinden können.
Was ist im Job wichtig, damit queere (Netzwerk-)Arbeit
gelingen kann?
Christian: Das Mindset! Und der Support von unseren Units und Allies. Allein in Deutschland haben wir über 22.000 Mitarbeitende. Da ist es nicht möglich, dass nur fünf Personen in einer Pride-Netzwerkgruppe das Thema vorantreiben und sichtbar machen. Wir brauchen Verbündete, die uns Selbstbewusstsein geben und den Rücken stärken.
Leon: Viel Sprechen und echtes Interesse zeigen. Eine gute und umfassende Kommunikation ist das A und O. Damit erhöht sich für alle die Chance, wirklich Gehör zu finden.
Wie wichtig ist es, im Job „out“ zu sein? Ist das für alle
Kolleg_innen gleichermaßen möglich?
Leon: Jedes Coming Out – egal wo – macht die Welt zu einem besseren Ort, sorgt für mehr Sichtbarkeit und ist auch für einen selbst meist eine unglaublich große Befreiung. Ist das innere Coming Out erst einmal geschafft und entschließt man sich, das auch nach außen zu tragen, ist es natürlich super wichtig, dass auch das Arbeitsumfeld einen Safer Space für Diversität bietet.
Wie wichtig sind Vorbilder in diesem Zusammenhang?
Leon: Ich selbst hätte früher sehr von Vorbildern profitieren können. Tatsächlich schienen alle schon zu wissen, was mit mir los war, ehe ich es selbst wusste. Als Kind wurde ich deswegen immer wieder angefeindet. Mittlerweile ist meine Taktik maximale Transparenz. Je offener ich mit meiner Identität umgehe, desto weniger Angriffsfläche bietet das. Gleichzeitig bin ich auch sehr motiviert, Vorbild für andere zu sein und Menschen dadurch zu unterstützen. Das gibt mir viel zurück.
„Jedes Coming Out – egal wo – macht die Welt zu einem besseren Ort, sorgt für mehr Sichtbarkeit und ist auch für einen selbst meist eine unglaublich große Befreiung.“
Wer oder was hat Euch auf Eurem Weg bestärkt?
Christian: Bei der Frage sind mir gleich die Tränen in die Augen gestiegen, denn sie hat mich an mein Coming Out bei meiner Mutter und Großmutter erinnert. Meine Mutter hat ziemlich cool reagiert und mich gefragt, wann wir dann endlich mal zusammen shoppen gehen. Bei meiner Großmutter war es etwas schwieriger – sie stand dem Thema (damals) sehr konservativ gegenüber. Ich hatte Angst, es ihr zu erzählen und habe es auch viele Jahre verheimlicht. Irgendwann kam es dann durch einen dummen Zufall raus und ich habe mir daraufhin große Sorgen gemacht. Umso überraschter und erleichtert war ich, als ich es ihr endlich sagen konnte und sie auf der Couch saß, Socken strickte und sagte: „Du bist mein Enkel, das wirst du immer bleiben und ich liebe dich so, wie du bist.“ Von diesem Zeitpunkt an habe ich mich unglaublich stark gefühlt und hatte allen Rückhalt, den ich brauchte, um selbstbewusst meinen Weg zu gehen.
Thema Verbündetenschaft: Was macht gute Allies aus?
Leon: Gute Allies hören zu und unterstützen. Sie schauen nach innen und arbeiten an eigenen Vorurteilen. Generell ist es für Verbündete glaube ich sehr wichtig, lernwillig zu sein und zu versuchen, Einander zu verstehen – übrigens nicht nur im queeren Kontext. Meine besten Freund_innen sind beispielsweise PoC und erleben im Alltag leider immer wieder Beleidigungen und Diskriminierung. Wir alle finden es total schön, wenn sich eine andere Person für uns stark macht (auch beispielsweise, wenn wir selbst gerade nicht mit im Raum sind). Genauso schön ist es aber auch, wenn man dann etwas zurückgeben kann.
Seid Ihr auch außerhalb der Arbeit in queeren Kontexten
aktiv/engagiert?
Leon: Ich gehe im Alltag mit Freund_innen und Bekannten ins Gespräch. In meinem Designstudium habe ich eine Arbeit über binär-gegenderte Produktsprache geschrieben, die das bewusste Gendern von Konsumgütern dokumentiert, aufdeckt und kritisiert. Beispiele dazu gibt es von der Shampoo-Flasche, über Rasierer, Süßigkeiten, Teesorten usw. – eigentlich in jedem Bereich. Selbst Grillwürstchen und Schreibwaren waren von der Produktsprache eindeutig einem binären Geschlecht zugeschrieben und warben ausschließlich für ein einziges Geschlecht. Ich bin wirklich froh, dass IKEA sich bemüht, sich dahingehend neutral zu verhalten und davon absieht, Produkte nur für Männer ODER nur für Frauen zu führen. Auch spannend fand ich, dass ich an „Verqueerte Identitäten“ (einer Masterarbeit über die Erfahrungen von genderfluiden Menschen) mitwirken und dort meine Erfahrungen und Entwicklung als nicht-binäre Person teilen durfte.
Was sind Eure Pläne/Wünsche/Ziele für die Zukunft? Worauf freut Ihr Euch?
Christian: Ich freue mich auf die intensive Netzwerk-Arbeit. Ich habe den persönlichen Drang, mich mehr zu engagieren, insbesondere da gewisse Gruppierungen immer lauter werden. Wenn „Rechts“ lauter wird, müssen wir es auch werden. Mein Wunsch ist es, dass wir eines Tages in einer Gesellschaft leben, in der alle glücklich sind und einfach so sein können, wie sie sein wollen!
Leon: Ich wünsche mir noch mehr Sichtbarkeit im Store. Ich will mehr Perspektiven kennenlernen, mehr „Buntheit“ erleben und vor allem mehr über andere Communities erfahren, mit denen ich bisher weniger Berührungspunkte hatte. Denn genau so dürfen wir neu-, weiter- und umlernen.
Detlev, Christian und Leon, vielen Dank für das Gespräch!
Mehr über unser PROUT AMPLIFIER Projekt findet Ihr hier.
PROUT EMPLOYER Infineon Technologies AG
„Mein Ziel ist es, Vielfalt in meinem direkten Verantwortungsbereich zu leben und zu fördern, scheue aber nicht davor zurück, darüber hinaus zu unterstützen.“
Raphael kam im Mai 2016 als Senior Expert für Ethical Hacking und Incident Management zu Infineon. Bevor er zu Infineon wechselte, arbeitete er als Sicherheitsberater für verschiedene nationale und internationale Unternehmen. 2017 übernahm Raphael seine erste Führungsrolle bei Infineon und baute das Cyber Defense Center als globales Team auf. Im Jahr 2020 übernahm und entwickelte er dann das Cyber Security Team bei Infineon. Im Juni 2023 wurde die Rolle auf alle Sicherheitsthemen ausgeweitet. Raphael war immer Teil von multinationalen Teams und Unternehmen, was ihm sehr viel Freude und Bereicherung im Arbeitsalltag bringt.
Raphael hat 2013 sein Studium der Informatik an der Universität Tübingen abgeschlossen. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. Raphael wohnt in München, ist aber in Baden-Württemberg geboren. Fun Fact: Sein Schwäbisch ist genauso schlecht wie sein „Hochdeutsch“ ;).
Sie waren sofort zu einem Interview bereit – vielen Dank noch
einmal dafür! Warum ist es für Sie wichtig, queere Themen zu
unterstützen?
Raphael Otto: Vielfalt in allen Dimensionen, sei es Geschlecht, Nationalität, körperliche/geistige Fähigkeit oder sexuelle Orientierung, um nur einige zu nennen, liegt mir sehr am Herzen. Ich glaube, dass wir als Gesellschaft von unterschiedlichen Perspektiven profitieren. Ich glaube auch, dass wir als Arbeitgeber eine Verantwortung haben, wenn es darum geht, unsere Werte zu leben und zu fördern. Mein Ziel ist es, Vielfalt in meinem direkten Verantwortungsbereich zu leben und zu fördern, scheue aber nicht davor zurück, darüber hinaus zu unterstützen. Als ich gefragt wurde, ob ich als Sponsor für unsere LGBT* & Friends Community zur Verfügung stehen würde, fühlte ich mich sehr geehrt und sagte sofort zu.
Welche Initiative in Bezug auf Chancengleichheit für queere
Menschen war bei Infineon besonders erfolgreich?
Raphael Otto: Im Juni, während des Pride Months, nahm Infineon an mehreren Pride-Paraden (z. B. in München) teil, um seine Unterstützung zu zeigen und das Bewusstsein für die LGBTQIA+ Community, ihre Geschichte, Kultur und ihren kontinuierlichen Einsatz für Chancengleichheit zu stärken. Das sehr positive Feedback, das wir von unseren Mitarbeiter_innen und externen Stakeholdern erhalten haben, zeigt, dass unser Engagement gut ankommt und motiviert uns, unseren Einsatz für LGBTQIA+ weiterzuführen.
Was sind Ihre Wünsche und Ziele in Ihrer Rolle als Sponsor
für die Infineon LGBT* & Friends Community?
Raphael Otto: Während die LGBT* & Friends Community schon viel erreicht hat, stehen wir bei Infineon noch am Anfang unserer Reise. Mein Wunsch ist es, die Community durch Beratung, Sichtbarkeit und praktische Begleitung bei verschiedenen Aktivitäten und Veranstaltungen zu unterstützen. Insbesondere möchte ich den Kolleg_innen Hilfe anbieten, wenn es um das Thema LGBTQIA+ Inklusion auf globaler Ebene geht. Da wir ein weltweit operierendes Unternehmen sind, sind wir mit der Realität eines unterschiedlichen Bewusstseins und einer unterschiedlichen Akzeptanz von LGBTQIA+ Themen konfrontiert, was für unsere interne Gemeinschaft eine Herausforderung darstellen kann. Ich hoffe, dass ich dabei helfen und mich für sie einsetzen kann.
Wie reagieren Sie, wenn Menschen die Wichtigkeit von
queerer Inklusion in Frage stellen?
Raphael Otto: Wie bei jeder Dimension von Vielfalt und Inklusion versuche ich in der Regel zuerst, die Argumente hinter den Vorbehalten zu hören. Ich stelle die Argumente in Frage, indem ich die Bedeutung von Vielfalt für erfolgreiche Teams und das Bedürfnis aller Menschen nach einem Gefühl der Zugehörigkeit und Akzeptanz in der Gesellschaft und natürlich auch am Arbeitsplatz hervorhebe. Ich mache deutlich, dass jeder Mensch so akzeptiert werden möchte, wie er ist, und dass dies ein Menschenrecht ist, das nicht in Frage gestellt werden sollte.
Was hat Infineon motiviert, PROUT EMPLOYER zu werden und
was erhofft sich Infineon von der Kooperation mit
PROUT AT WORK?
Raphael Otto: Wir bei Infineon wollen einen Arbeitsort bieten, an dem jede Person akzeptiert wird, sich zugehörig fühlt und ihr authentisches Selbst bei der Arbeit einbringen kann. Die Teilnahme am PROUT EMPLOYER Programm ist eine großartige Chance für uns, unser Engagement für Diversity & Inclusion zum Ausdruck zu bringen und unser Wissen darüber zu erweitern, wie wir als PROUT EMPLOYER die LGBTQIA+ Mitglieder von Infineon unterstützen können. Wir freuen uns sehr über die Zusammenarbeit mit PROUT AT WORK, die uns mit ihrer Expertise begleiten werden, um das beste Infineon für Menschen jeglicher sexueller Orientierung, Geschlechtsidentität oder Geschlechtsausdruck zu schaffen.
Lieber Raphael Otto, vielen Dank für das Gespräch!
Gemeinsam mit Marcus Brieskorn vom radioSUB unterhielt sich PROUT AT WORK-Vorstand Jean-Luc Vey über das Rainbow Chat Deck.
„Die Idee hinter dem Rainbow Chat Deck war, ein Tool zu entwickeln, durch das Menschen in den Austausch über LGBT*IQ kommen. Durch die Fragen und individuellen Antwortmöglichkeiten sind die Karten auch für Leute gedacht, die bisher sehr wenig mit dem Thema zu tun hatten.“
Das ganze Interview finden Sie hier:
Rainbow Chat Deck
RECAP
Wir durften am Donnerstag, den 4. Mai 2023, Maxi Pichlmeier als Gast bei unserem PROUT PERFORMER Lunch Talk begrüßen.
Hier gelangt Ihr zur Aufzeichnung des Gesprächs:
Über Maxi:
Wer Maxi nicht kennt: Digitale Medien sind ihm alles andere als fremd und er hat einiges zu sagen, wenn es um queeres Leben, Politik und Medien geht. Denn: Queersein ist auch 2023 politisch! Auf Maxi Pichlmeiers TikTok-Account geht es um queere News, queere Politik und die Gay Community, zu der er selbst gehört. In seinen Videos verarbeitet er eigene Erlebnisse und will News an junge (queere) Menschen bringen.
Im Gespräch mit… Rea Eldem und Frauke Becker
Rea Eldem ist Gründerin und Geschäftsführerin von IN-VISIBLE, Berliner Agentur für gendergerechte Arbeitskultur. IN-VISIBLE berät Unternehmen in Hinblick auf Gender- und Diversitätsstrategien. Rea Eldem hat einen Hintergrund in Gender Studies und Kulturwissenschaften.
Gender, sexuelle Identität, Sexismus, Geschlecht, sexuelle Orientierung
– ganz schön viele verschiedene Begrifflichkeiten, die manchmal auch noch falsch genutzt werden. Das macht es oft nicht einfacher für Menschen, die beginnen, sich mit den Themen rund um Chancengleichheit, Antidiskriminierung und Geschlechtergerechtigkeit (am Arbeitsplatz) auseinanderzusetzen.
Es gibt viele Faktoren, die die Identität eines Menschen ausmachen. Die eingangs genannten Begriffe gehören dazu und sind auf ganz alltäglicher Basis für sehr viele Menschen Grundlage von Diskriminierung und Ungleichheit. Um hier tiefer einzusteigen, haben wir Rea und Frauke zu einem Austausch eingeladen. Im Interviewgespräch zeigen sie uns, was der Unterschied zwischen sexueller Identität und Gender-Identität ist und warum sie trotzdem zusammen gedacht werden dürfen und sollten.
Rea: Fangen wir vielleicht mit einer kleinen Vorstellung und Positionierung an. Ich heiße Rea, bin Gründerin und Geschäftsführerin von IN-VISIBLE, Agentur für Gendergerechtigkeit. Und du?
Frauke: Mein Name ist Frauke und ich arbeite als Stiftungsreferentin bei der PROUT AT WORK-Foundation. Dabei ist meine Motivation, LGBT*IQ sichtbar zu machen, auch Diskriminierungen aufzuzeigen und dafür zu sorgen, dass alle ihr wahres Ich auch am Arbeitsplatz zeigen können, ungeachtet von sexueller und geschlechtlicher Identität.
Rea: Bei unseren Workshops beobachten wir ganz schön viel Verwirrung zum Zusammenspiel von Gender- und sexueller Identität. Manchmal denken Teilnehmer*innen, das sei das gleiche. An anderer Stelle fällt es Personen schwer, zu verstehen, dass die beiden Konzepte – obwohl unabhängig voneinander – auch gemeinsam betrachtet werden können. Also, fangen wir vielleicht mal mit einer Definition an. Frauke, ihr setzt euch, wie du eben erwähnt hast, vor allem für Themen rund um LGBT*IQ ein. Was ist das?
Frauke: LGBT*IQ steht für Lesbian, Gay, Trans*, Inter* und Queer. In diesem Akronym ist aber natürlich auch für mehr (Selbst-)Definitionen Platz. Zusammengefasst steht LGBT*IQ quasi für alles, was von der heteronormativen, cis-geschlechtlichen Norm abweicht. Menschen, die also beispielsweise lesbisch und trans* sind. Hier kommen also die Begriffe ‘sexuelle Orientierung’ und ‘sexuelle Identität’ zum Vorschein. In Bezug dazu gibt es vermeintliche Normen und somit auch Abweichungen davon.
Menschen, die sich der LGBT*IQ Community zugehörig fühlen, erfahren vielfach Diskriminierung, egal ob am Arbeitsplatz, im Alltag, aber auch von staatlicher Seite. Das wollen wir bei PROUT AT WORK ändern und konzentrieren uns dabei besonders auf die Arbeitswelt.
…Und nun du, Rea. Ihr arbeitet zu Gendergerechtigkeit. Was ist denn Gender? Vielleicht kannst du das, nachdem ich hier Begriffe wie cisgeschlechtlich in den Raum stelle, noch einmal genauer erklären?
Rea: Gender ist ein Wort aus dem Englischen, das sich als “soziales Geschlecht” übersetzen lässt. Jede Person hat ein Gender, denn in unserer Gesellschaft ist diese soziale Kategorisierung, die wir vornehmen, omnipräsent. Sobald ein Baby auf die Welt kommt, bekommt es ein Gender zugeteilt, bei dem angenommen wird, dass dieser kleine Mensch dann damit durchs Leben geht.
Es gibt dabei verschiedene Gender, die wir als eine Art Spektrum verstehen können, wie zum Beispiel non-binär, weiblich, agender, männlich und weitere. Vereinfacht gesagt, kann man sich Gender wie eine Art Label vorstellen, mit dem wir uns zeigen bzw. das andere uns zuschreiben. Damit einhergehen dann zum Beispiel Verhaltensweisen, Interessen oder Kleidung, die von einem Menschen erwartet wird, des Genders entsprechend. Wenn eine als Frau gelesene Person mit einem Rock und hohen Schuhen ins Büro kommt, fällt das in erster Linie niemandem auf. Bei einer als Mann gelesenen Person stellt genau dasselbe Outfit bei vielen eine Irritation aus. Das zeigt, dass die meisten Personen, wenn auch subtil und oft unsichtbar, Erwartungen an Personen auf Basis von Gender haben.
Nochmal kurz zu Begrifflichkeiten: Cisgender, das Wort welches du direkt bei deiner Mission ins Spiel gebracht hast, beschreibt Personen, deren Gender mit der Geschlechtszugehörigkeit übereinstimmt, die ihnen bei der Geburt zugeordnet wurde. Da sind wir nun schon mitten in den Begrifflichkeiten, die sich vielleicht für manche anfühlen wie ein ziemlicher Buchstabensalat.
Frauke: Ich glaube, oft ist es ein Problem, dass Menschen Wissen rund um queere Themen und Gender fehlt. Gleichzeitig bin ich der Überzeugung, dass auch ohne zugehöriges Wissen ein empathischer Umgang untereinander dafür sorgen sollte, dass allen klar ist, dass Diskriminierung nie einen Platz hat, egal aus welchen Gründen, und wie wenig ich in die Situation meines Gegenüber hineinversetzen kann.
Teilweise erlebe ich auch, dass Menschen die Konzepte schwul und lesbisch kennen und verstehen, aber sobald es dann um Gender und beispielsweise Pronomen und Nichtbinarität geht, ihr Verständnis endet. Irgendwie hängen die Themen zwar zusammen, aber eigentlich auch nicht. Kannst du das vielleicht nochmal klarer darstellen, Rea?
„Es werden bestimmte Annahmen über den Lebensentwurf getroffen, wie zum Beispiel, dass Frauen romantische Beziehungen mit Männern pflegen und einen Kinderwunsch in dieser Partnerschaft haben.“
Rea: Ja, da hast du total Recht. Das erlebe ich auch. Gender lässt sich zwar theoretisch klar von sexueller Orientierung abgrenzen, in der Praxis ist es aber komplexer. So ist z.B. die Stellung von Frauen in unserer Gesellschaft nicht nur durch ihre Geschlechtszugehörigkeit definiert, sondern durch viele Faktoren. Hier spielt die sexuelle Orientierung eine große Rolle, denn das Weiblichkeitsbild der Mehrheitsgesellschaft ist auch ein heterosexuelles.
Das merkt man zum Beispiel anhand von Mikrogressionen, die am Arbeitsplatz stattfinden: problematische Klischées wie z.B. die Managerin, die sich hochgeschlafen hat oder die Büroassistentin, die mit ihrem Chef flirtet, denken Frauen als heterosexuell, an Männern interessiert und für sie sexuell verfügbar.
Auch wenn Unternehmen z.B. Frauen im Sinne eines Engagements für Gendergerechtigkeit fördern wollen, denken sie oft in einer heteronormativen Logik. Es werden bestimmte Annahmen über den Lebensentwurf getroffen, wie zum Beispiel, dass Frauen romantische Beziehungen mit Männern pflegen und einen Kinderwunsch in dieser Partnerschaft haben. Dieses Bild lässt sich noch näher ausschmücken, es ist nicht nur eines, in dem die Frau heterosexuell ist. Sie ist auch meistens weiß, jung und ohne körperliche Beeinträchtigung.
Neulich meinte in einem Interview eine Mitarbeiterin eines großen Unternehmens zu mir: “Als ich in das Frauennetzwerk eingetreten bin, war ich total verwirrt. Ich war mir plötzlich nicht mehr sicher, ob das hier ein Frauen- oder ein Mütternetzwerk ist.” Die besagte Frau ist Ende 40 und kinderlos. Sie fühlt sich, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung, von den Angeboten ihres Unternehmens nicht wieder. Selbstverständlich gibt es auch queere Personen mit Kinderwunsch; es geht vielmehr darum, Alternativen zu einem Weiblichkeitsbild, das entlang sehr klar definierter Erwartungen aufgebaut ist, zu denken. Die Realität ist: Frau ist nicht gleich Frau. Dasselbe gilt für alle anderen Gendergruppen.
Frauke: Das ist ein sehr wichtiger Punkt! Wir sprechen hierbei von Biases, also Vorannahmen. Diese sind gerade in der Arbeitswelt ein großes Problem. Der Begriff “Unconscious Bias” bedeutet unbewusste Vorannahmen – heißt also, die Menschen denken, sie hätten keine Vorurteile. Es reicht aber nicht, das zu denken, während wir alle nachgewiesen unbewusste Vorurteile gegenüber anderen haben! Es müssen aktiv Privilegien hinterfragt und Vorurteile aufgebrochen werden. Menschen neigen beispielsweise unterbewusst dazu, neue Kolleg*innen so auszuwählen, dass sie ihnen ähneln. Heißt auch: die oftmals weißen cis-hetero Männer in Entscheidungspositionen, stellen auch eher andere weiße cis-hetero Männer ein. Oder wie du gesagt hast, denken sie bei jungen Bewerberinnen direkt daran, dass diese womöglich aufgrund ihres Kinderwunsches längere Zeit ausfallen könnten. Vielleicht hat diese Frau aber gar keinen Kinderwunsch!
Rea: Ja, absolut. Ich würde das im akademischen Sprech als Zusammenspiel von Cisheteronormativität und Patriarchat bezeichnen. Um diese Begriffe direkt einmal aufzubrechen: wir leben in einer Gesellschaft, die entlang der Grundannahme strukturiert ist, dass Frauen und Männer zwei gegensätzliche Pole voneinander darstellen, die Begehren, Attribute, Verhaltensweisen und die Rolle definiert, welche Menschen im Leben einnehmen. Das wirkt sich nicht nur auf das Privatleben und die Arbeit aus, sondern auch auf das Rahmenwerk, das wir überhaupt haben, um in diesen Sphären zu funktionieren, wie z.B. Gesetzgebung.
Diese binäre, also aus zwei, und nur zwei, gegensätzlichen Polen bestehende Geschlechterlogik, die die Welt in Männer und Frauen aufteilt, beruht auf dem Konzept von Cisheteronormativität, was du, Frauke, vorhin schon kurz angesprochen hast. Cishetero weil Cis-Mann begehrt Cis-Frau und Cis-Frau begehrt Cis-Mann. Normativität, weil die Gesellschaft entlang dieser Norm aufgebaut ist und sich entlang ihr orientiert. Somit wird die Norm zur “Regel” und strukturiert nicht mehr nur das Begehren, sondern auch Zuschreibungen rund um Weiblichkeit und Männlichkeit. Und die sind auch im Job relevant.
„Vorurteile schaden allen, nicht nur marginalisierten Gruppen. Auch ein Hetero-Mann, der vielleicht einfach etwas introvertierter ist, leidet an Vorurteilen über Männlichkeit und den Annahmen, die damit einhergehen, dass er beispielsweise keine Emotionen zeigen sollte oder Ähnliches.“
Frauke: Das stimmt! Schwulen Männern wird teilweise zugeschrieben, dass sie nicht durchsetzungsstark sind, Lesben sind zu betont männlich und so weiter. Wir müssen uns hier von Vorurteilen freimachen – hinterfragen, warum wir Dinge über Menschen annehmen und daran arbeiten, dass wir Personen individuell kennenlernen. Vorurteile schaden allen, nicht nur marginalisierten Gruppen. Auch ein Hetero-Mann, der vielleicht einfach etwas introvertierter ist, leidet an Vorurteilen über Männlichkeit und den Annahmen, die damit einhergehen, dass er beispielsweise keine Emotionen zeigen sollte oder Ähnliches.
Rea: Ja, genau. Jede Auseinandersetzung der Arbeitskultur in Bezug auf Sexismus impliziert damit auch immer eine Auseinandersetzung mit Männlichkeit und Weiblichkeit – und den Vorstellungen, die diesen Konzepten zu Grunde liegen. Dasselbe würde ich für Homo- und Trans*feindlichkeit behaupten – es muss hinterfragt werden, welche Vorstellungen von Geschlecht mit bestimmten sozialen Gruppen verbunden werden.
Frauke: Oftmals fehlt in Unternehmen aber auch Flexibilität, gepaart mit möglichen Vorurteilen oder Unwissen. Wenn eine Person keine Pronomen verwendet, als Briefanrede bisher aber nur “Herr” und “Frau” im Unternehmen genutzt wurde, oder nur Karten mit “Glückwunsch an Mama und Papa” vorhanden sind, wenn queere Kolleg*innen Eltern werden, müssen schnell Lösungen und Veränderungen her, bevor erst langwierige Prozesse in Gang gesetzt werden.
Rea: Ja, du hast total Recht. Das Wissen um die strukturelle, systemische Verzahnung von Sexismus und Homo- und Trans*feindlichkeit ist nützlich – viel relevanter ist im Arbeitskontext aber, meiner Meinung nach, eine offene Grundhaltung, mit der ich erstmal allen Personen freundlich gegenübertrete und konstruktiv nach Lösungen suche, wenn ich bemerke, dass die bisherigen Strukturen nicht passen. Auch wenn ich als Mitarbeiter*in keine Zugänge oder Wissen habe, um eine Diversitäts-Strategie in meinem Unternehmen aufzugleisen oder Maßnahmen zu entwerfen, kann ich mich darin üben, auf Annahmen zu verzichten und die Normen zu hinterfragen, die ich ggf. selbst verinnerlicht habe. Hast du dafür ein paar Beispiele?
Frauke: Vielleicht sind Toiletten ein ganz simples Beispiel. Hier ist wichtig, dass alle eine Toilette nutzen können, auf der sie sich wohlfühlen. Eine trans* Person überlegt sich zum Beispiel sehr genau, welche Toilette sie benutzt – da sollte niemand in einem kurzen Moment des Rückzugs darauf hingewiesen werden, dass die Person auf der vermeintlich falschen Toilette ist. Dieser Gedanke sollte für alle zu schaffen sein – wenn ich selbst in Ruhe auf Toilette gehen möchte, sollte ich das anderen auch ermöglichen. Hier sollten die marginalisierten Gruppen vor allem nicht gegeneinander ausgespielt werden – eine trans* Frau ist zum Beispiel keine Gefahr für andere Frauen beim Toilettenbesuch! Und um das Toilettenthema abzuschließen: Periodenprodukte und Mülleimer sollten auf allen Toiletten zu finden sein. Außerdem sollten barrierefreie WC-Räume zur Verfügung stehen für behinderte Menschen.
„Wer Gendergerechtigkeit will, muss sich von Heteronormativität und von einem Mann-als-Mensch-Bild lösen.“
Rea: Ich finde, die Dinge, die du nennst, machen deutlich, wie schnell durch ein paar einfache Veränderungen schon ein inklusives Arbeitsumfeld geschaffen werden kann. Und gleichzeitig zeigen sie auch auf, wie allgegenwärtig subtile Formen von Diskriminierung im Alltag gegenüber Frauen und queeren Personen sind. Oft steckt da keine böse Intention hinter, sondern lediglich ein Nicht-in-Frage-stellen einer Norm. Und diese Norm ist heterosexuell und cis-männlich. Eine Veränderung bedarf das Hinterfragen von beidem, gern auch gleichzeitig: Wer Gendergerechtigkeit will, muss sich von Heteronormativität und von einem Mann-als-Mensch-Bild lösen. In unseren Workshops versuchen wir den Zusammenhang zwischen diesen beiden Normen aufzuzeigen. Wir können viel von den Erfahrungen von weiblich oder non-binär positionierten Arbeitnehmer*innen lernen, wenn wir diese mehr sichtbar machen.
Frauke: Sichtbarmachen ist ein gutes Stichwort. Wir hören oft “Das mit der sexuellen Orientierung ist doch am Arbeitsplatz völlig irrelevant.” Es geht aber nicht darum, dass Menschen am Arbeitsplatz über sexuelle Praktiken sprechen – das ist ein Mythos, der von cis Personen aus machtvollen Positionen heraus geschürt wurde! Es geht darum, dass Menschen am Arbeitsplatz nichts verstecken müssen. Als Beispiel: wie viele Menschen haben ein Foto der Beziehungsperson als Screensaver auf dem Smartphone? Dieses Smartphone habe ich auch am Arbeitsplatz dabei – soll eine queere Person so ein Foto also nicht zeigen, weil das “am Arbeitsplatz nichts verloren hat”? Nein! Wir sollten alle so sein können wie wir sind, mit Interessen, Ideen und eben auch der sexuellen und geschlechtlichen Identität, die einfach einer von vielen Teilen der menschlichen Persönlichkeit ist. Es muss intersektional gedacht werden, statt eindimensional!
Liebe Rea, liebe Frauke, vielen Dank für das Gespräch!
Mehr über IN-VISIBLE können Sie über die Webseite erfahren, der kostenlose Blog behandelt regelmäßig spannende Themen rund um Gendergerechtigkeit. Auch auf LinkedIn und Instagram finden Sie IN-VISIBLE.
RECAP
Wir durften am Mittwoch, den 22. Februar 2023, Wolfgang Link als Gast bei unserem PROUT PERFORMER Lunch Talk begrüßen.
Hier gelangt Ihr zur Aufzeichnung des Gesprächs:
Über Wolfgang:
Wolfgang Link wurde im März 2020 in den Vorstand der ProSiebenSat.1 Media SE berufen, verantwortet sämtliche Entertainment-Aktivitäten der ProSiebenSat.1 Media SE und ist CEO der Seven.One Entertainment Group.
Er kam 2009 als SAT.1-Unterhaltungschef zur ProSiebenSat.1 Group, verantwortete später als Senior Vice President alle Entertainmentformate der deutschen Sendergruppe und holte zum Beispiel „The Voice of Germany“ nach Deutschland. Von 2012 bis 2016 war er ProSieben-Geschäftsführer, wurde im Oktober 2013 Geschäftsführer der ProSiebenSat.1 TV Deutschland GmbH und übernahm wenig später den Vorsitz der Geschäftsführung. 2019 verantwortete er als Co-CEO die Verschmelzung der Sender-Brands, des Content-, Vermarktungs- und Distributionsbereichs unter dem Dach der 2020 firmierten Seven.One Entertainment Group.
Wolfgang Link arbeitete im Anschluss an sein Studium der Kommunikations- und Kunstwissenschaften sowie Psychologie zunächst für verschiedene Musical- und Liveproduktionen. Ab 2003 verhalf er als Producer und Executive Producer bei Grundy Light Entertainment unter anderem dem Format „Deutschland sucht den Superstar“ zum Erfolg.
PROUT EMPLOYER Hogan Lovells
„Mir ist die Vielfalt unserer Mitarbeitenden ein wichtiges Anliegen – nicht nur aufgrund meiner Funktion als Managing Partner und Diversity Sponsor, sondern auch persönlich. Als Unternehmen funktionieren wir am besten, wenn Menschen sich bei uns wohlfühlen und Vertrauen haben.“
Dr. Stefan Schuppert ist Rechtsanwalt und berät Unternehmen auf dem Gebiet des Datenschutzes und der Informationstechnologie. Er ist Managing Partner für den deutschen Standort der internationalen Wirtschaftskanzlei Hogan Lovells und zudem auch Sponsoring Partner für Diversity in EMEA. 2021 und 2022 wurde er als PROUT Executive Ally anerkannt.
Hogan Lovells ist bereits seit 2017 PROUT EMPLOYER – engagiert
sich also schon lange im Bereich LGBT*IQ-Diversity. Warum ist
Ihnen das ein besonderes Anliegen?
Dr. Stefan Schuppert: Als globale Wirtschaftskanzlei engagieren wir uns schon seit vielen Jahren für Chancengleichheit, Wertschätzung und Respekt. Mir ist die Vielfalt unserer Mitarbeitenden ein wichtiges Anliegen – nicht nur aufgrund meiner Funktion als Managing Partner und Diversity Sponsor, sondern auch persönlich. Als Unternehmen funktionieren wir am besten, wenn Menschen sich bei uns wohlfühlen und Vertrauen haben. In einer offenen Arbeitsatmosphäre können wir kreativ arbeiten und innovative Lösungen für unsere Mandant_innen finden. Und die Arbeit macht Spaß! Es ist für alle unsere Mitarbeitenden ein positives Zeichen, wenn wir uns für die Gleichbehandlung allen Menschen und ein wertschätzendes Miteinander einsetzen
Im Jahr 2022 feiert das LGBT*IQ-Netzwerk von Hogan Lovells,
Pride+, den 5. Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch! Worin sehen
Sie den größten Erfolg des Netzwerks bisher?
Dr. Stefan Schuppert: Vielen Dank für die Glückwünsche! Wir sind sehr stolz darauf, dass dieses Netzwerk seit fünf Jahren zu unserem Alltag gehört. Pride+ ist an allen unseren Standorten präsent und gibt Hilfestellungen auch in Ländern, in denen es nicht so einfach ist, sich für das Thema LGBT*IQ zu engagieren. Pride+ fördert Wissen über LGBT*IQ, sensibilisiert die Menschen für Diversity Themen und unterstützt die Sichtbarkeit von Vorbildern. Und es verbindet uns – denn als „Allies“ zeigen wir unsere Solidarität mit unseren LGBT*IQ Kolleg*innen.
Was würden Sie Unternehmen raten, die in ihrem Einsatz für
LGBT*IQ-Diversity noch ganz am Anfang stehen?
Dr. Stefan Schuppert: Ich würde ihnen raten: einfach mal machen und dranbleiben, auch wenn bei den ersten Diversity Veranstaltungen nicht gleich alle Plätze ausgebucht sind. Wichtig ist, ein Bewusstsein für das Thema zu schaffen. Denn häufig ist es Unwissenheit, die zu Diskriminierung führt. Gerade hier kann PROUT AT WORK als wichtige Partnerin unterstützen, um Unsicherheiten ab- und Wissen aufzubauen.
Für die Akzeptanz des Themas ist es zudem wichtig, dass sie als „tone from the top“ vorgelebt wird. Mein Rat ist daher, wichtige Vorbilder im Senior Management Team für das Thema zu gewinnen.
Entscheidend ist letzten Endes, dass sich alle Mitarbeitenden – unabhängig von
Hierarchien – für das Thema Diversity
einsetzen und so eine offene und
wertschätzende Kultur entsteht.
Wo sehen Sie die Herausforderungen zu LGBT*IQ Diversity bei
Hogan Lovells in den kommenden Jahren?
Dr. Stefan Schuppert: Gerade nach der Pandemie und in Zeiten vieler sehr präsenter Krisen ist es wichtig, die Mitarbeitenden wieder für LGBT*IQ und andere Diversity Themen zu sensibilisieren. Hier möchten wir so viele Anreize wie möglich schaffen. Wir bieten spannende Lunch Talks mit externen und internen Redner_innen an, Workshops, Teamevents und vieles mehr. Denn häufig ist es die Unwissenheit, die zu Unsicherheit führt, und hier können wir unsere Mitarbeitenden konkret unterstützen – z.B. mit unserer Guideline für gendersensible Sprache, die wir seit Anfang des Jahres in unserer allgemeinen internen und externen Kommunikation anwenden. Wir legen großen Wert darauf, allen Menschen in unserer Kanzlei jeden Tag ein offenes Arbeitsumfeld zu bieten, in dem sie sie selbst sein können.
Welche gemeinsamen Initiativen zu LGBT*IQ-Diversity haben Sie
besonders in Erinnerung und auf welche Projekte freuen Sie sich
in der kommenden Zeit?
Dr. Stefan Schuppert: Ich erinnere mich an viele tolle gemeinsame Initiativen, die wir mit PROUT AT WORK in den vergangenen fünf Jahren durchgeführt haben. Da wären zum einen unsere vielfältigen und inspirierenden Netzwerk- und Awareness Workshops, oder das ToGathering-Event zum Thema Inklusive Sprache mit Mandant_innen und das PROUT AT WORK DINNER BEYOND BUSINESS mit sehr interessanten Keynote Speaker_innen. Wir können gar nicht genug tun, um die Sichtbarkeit der LGBT*IQ Community weiter voran zu treiben, daher freue mich auf viele weitere spannende Projekte in unserer Kooperation.
Lieber Dr. Stefan Schuppert, vielen Dank für das Gespräch!
Relmäßig lädt unser Vorstand Albert Kehrer ein inspirierendes Role Model der LGBT*IQ Community oder einen LGBT*IQ Ally zum Gespräch ein. Freuen Sie sich auf einen interessanten Austausch über Vorbilder und Sichtbarkeit in der LGBT*IQ Community.
DER GAST DES TAGES
Dr. Gesa Heinrichs
Direktorin Campus Management & Corporate Procurement bei OTTO (GmbH & Co KG), Platz 5 OUT EXECUTIVES 2019
Dr. Gesa Heinrichs ist der Inbegriff einer Out Executive! Seit über 20 Jahren ist sie bei OTTO tätig und dabei neben ihren Leitungspositionen vielseitig engagiert. Nach Studium und Promotion in München und Hamburg brachte Gesa vielseitiges Wissen aus den Theater- und Erziehungswissenschaften mit in die Business-Welt.
Im Jahr 2000 begann ihre Reise bei OTTO, die sie mittlerweile in die Position als „Direktorin – Campus Management & Corporate Procurement“ führte. Bei OTTO war sie außerdem Gründungsmitglied der Initiative „Power of Diversity“, ist heute noch im daraus resultierenden LGBT*IQ Netzwerk „more“ engagiert und steht stets für offene (Unternehmens-)kultur.
Relmäßig lädt unser Vorstand Albert Kehrer ein inspirierendes Role Model der LGBT*IQ Community oder einen LGBT*IQ Ally zum Gespräch ein. Freuen Sie sich auf einen interessanten Austausch über Vorbilder und Sichtbarkeit in der LGBT*IQ Community.
DER GAST DES TAGES
Lars Ottmer
Head of controlling, SWISS International Airlines, Platz 13 PROUT EXECUTIVES 2021
Lars arbeitet seit dem Jahr 2000 in verschiedenen Positionen bei der SWISS International Airlines und ihrer Mutter Lufthansa Group. Im Moment ist er der Leiter des Controllings der SWISS, davor besetzte er im Konzern leitende Positionen in HR, Führungskräfteentwicklung, Markt- und Flottenstrategie. Er hat in dieser Zeit zweimal akut um das Überleben der SWISS gekämpft, jüngst wegen der Corona Pandemie.
Im Konzern setzt sich Lars für die LGBT*IQ Community und einen offenen Umgang ein. Beispielsweise verhalf er der SWISS zu einer kaum verklausulierten Stellungnahme bei der Volksabstimmung „Ehe für alle“ in der Schweiz und war in jüngeren Jahren auch Politaktivist, unter anderem als Mitglied des Stadtzürcher Parlaments. In seinen wilden Partyjahren war er zudem Mitorganisator der Zürcher „Street Parade“.
Relmäßig lädt unser Vorstand Albert Kehrer ein inspirierendes Role Model der LGBT*IQ Community oder einen LGBT*IQ Ally zum Gespräch ein. Freuen Sie sich auf einen interessanten Austausch über Vorbilder und Sichtbarkeit in der LGBT*IQ Community.
Der Gast des Tages
Max Appenroth
Trans* Aktivist, Diversity Berater, Moderator, Promovierender der Charité Universitätsmedizin Berlin, Research & Community Sexual Health Officer für GATE –Global Action for Trans Equality
Max ist so vielseitig engagiert, dass wir gar nicht so recht wissen, wo wir anfangen sollen – Max ist trans* Aktivist, Diversity Berater, Moderator und promoviert am Institut für Public Health an der Charité Universitätsmedizin Berlin. Max arbeitet außerdem als Research & Community Sexual Health Officer für GATE – Global Action for Trans Equality. Neben aller Arbeit und Engagement hat Max auch noch die Wahl zum Mr. Gay Germany 2022 gewonnen.
Mit dem eigenen Unternehmen ‚diversity sparq‘ bietet Max Workshops und Schulungen für Unternehmen, Institutionen und med./pflegerische Versorgungseinrichtungen an, die mehr über sexuelle und geschlechtliche Vielfalt erfahren und lernen möchten.