MYSTORY mit …
RUTH
25 Jahre, Hamburg
„trotzdem, oder gerade dadurch, dass ich kaum
von Queerfeindlichkeit betroffen bin, motivieren mich
meine Erfahrungen und auch die anderer, öffentlich für
Aufklärung und Rechte vonLGBTQ+ Personen einzustehen. …“
Veröffentlicht: September 2022
BI-Lieve in me.
Ich habe es lange als Privileg betrachtet, dass man mir meine Bisexualität nicht ansieht. Es ist Fluch und Segen zugleich, dass man einerseits durchschnittlich weniger Queerfeindlichkeit erfährt, wenn man beispielsweise in einer hetero-aussehenden Partnerschaft lebt – andererseits dadurch aber auch nicht immer die volle Zugehörigkeit zu der LGBTQ+ Community erlebt, oder zu vorschnell entweder als homo- oder heterosexuell abgestempelt wird, ganz abhängig von dem_r Partner_in an der eigenen Seite. Solche Erfahrungen sind, verglichen zum Gesamtbild von queerer Diskriminierung, weniger schlimm und gut wegzustecken, ob im politischen Feld, im privaten oder im beruflichen Umfeld, wobei letzteres in meinem Fall das Shine Netzwerk bei PwC Deutschland ist.
Trotzdem, oder gerade dadurch, dass ich kaum von Queerfeindlichkeit betroffen bin, motivieren mich meine Erfahrungen und auch die anderer, öffentlich für Aufklärung und Rechte von LGBTQ+ Personen einzustehen.
Der Pride Month ist nicht nur für Schwule und Lesben reserviert – und die Gesellschaft hat in ihrer Entwicklung noch einen weiten Weg vor sich, um bei queeren Themen nicht nur an das „L“ und „G“ in LGBTQ+ zu denken, sondern allen queeren Personen die gleiche Behandlung zukommen zu lassen. Besonders Themen abseits von der gewohnten Binarität sind für viele noch kaum ein Begriff oder aber so fremd und unverständlich, dass es da einfach ist, wegzuschauen und Queerness mit bewährten queeren Rollenvorstellungen wie zum Beispiel nur schwule Männer zu assoziieren. Die Community ist jedoch um einiges vielfältiger und sollte als Ganzes auch die entsprechende Sichtbarkeit erfahren.
Zugegebenermaßen muss ich aber auch sagen, dass ich persönlich Coming Outs und Labels teilweise als unglaublich erdrückend und überholt empfinde. Ganz nach dem Motto „wieso müssen Heteros das nicht?“ kommt manchmal der Gedanke auf, wie unfair es ist, dass queere Menschen etwas so Persönliches wie ihre Sexualität erst einmal öffentlich mitteilen müssen, damit man danach nicht aufgrund der Wahl der Partner_innen komisch angeschaut wird. Ich erkenne aber durchaus, dass das ein aktuell noch sehr privilegierter Standpunkt meinerseits ist.
Die meisten haben nicht den Luxus eines so offenen Umfelds, dass jegliche Art von Queerness ohne großes Aufsehen sofort akzeptiert wird, dabei sollte es heutzutage eigentlich selbstverständlich sein. Leider betonen jedoch vergangene, aber auch aktuelle Ereignisse wie zuletzt der Angriff in Oslo, nur wiederholt, wie wichtig Sichtbarkeit jeder Art ist – und zwar nicht nur im Juni zum Pride Month als Pinkwashing Kampagne der gängigen Konzerne, sondern das ganze Jahr über ohne monetäre Gegenleistung. Ob im Büro, auf der Straße oder privat:
Sichtbarkeit schafft Akzeptanz, löst längst überfällige Normen auf und erleichtert das Leben besonders denjenigen, die ihre Queerness aus Angst vor Diskriminierung oder Anfeindungen (noch) nicht offen leben können.
Ich hoffe daher, dass der aktuelle gesellschaftliche Wandel sich so lange stetig vorwärtsbewegt, bis keine Person mehr wegen ihrer Identität in Angst leben muss – was im besten Fall nicht mehr allzu lange dauern wird.