MYSTORY mit …

Jannette
38 Jahre, Hamburg

„Es ist wichtig, seine Meinung zu sagen und ein
Vorbild für junge Menschen zu sein. Ich wünsche mir,
dass die nächste Generation noch fortschrittlicher ist,
wenn es um Vielfalt und Integration geht. …“

Veröffentlicht: Mai 2022

Vorbilder.

Ich wuchs in einer sehr katholischen philippinischen Familie auf. Lesbisch zu sein war bei uns keine Option – ganz im Gegenteil: Meine Eltern hielten es für eine „Strafe Gottes“.

Auf meinem Weg zum Coming Out gab es ein paar Vorbilder, angefangen mit diesem einen Mädchen aus der Highschool während meines Austauschjahrs in New Jersey. Sie spielte in meinem Basketball-Team, war offen lesbisch … und machte kein großes Ding daraus. Ich habe ihre Stärke und ihren Mut immer bewundert. Sie hat mich inspiriert.

Mein älterer Bruder ist schwul, und ich habe mich ein paar Jahre nach ihm geoutet. Nach dem Coming Out meines Bruders zogen meine Eltern aus Deutschland nach Kalifornien. Ich war damals 17, bereitete mich auf meine Abschlussprüfungen vor, hatte meinen Freundeskreis hier und beschloss, in Bonn zu bleiben.

Sechs Jahre später erzählte ich meinem Vater, dass ich in einer sehr glücklichen Beziehung mit einer Frau bin. Seine Antwort: „Damit will Gott mich bestrafen.“ Ich war sehr enttäuscht von seiner Reaktion.

Es dauerte etwa 10 Jahre, bis meine Eltern akzeptierten, dass mein Bruder und ich homosexuell sind.

Als ich geheiratet habe, sind meine Eltern nicht gekommen. Erst als wir unsere beiden Töchter bekamen, nahmen meine Eltern wieder den Kontakt auf. Ein paar Jahre später beschlossen meine damalige Frau Mareike und ich, uns zu trennen, aber weiterhin gute Eltern zu sein. Mit meiner neuen Frau zusammenzuleben und dies meinen Eltern zu erklären, fühlte sich für sie wie mein zweites Coming Out an, das ihre heile Welt zerstörte. Glücklicherweise dauerte es dieses Mal keine 10 Jahre, bis sie meine Entscheidung annehmen konnten.

Heute kommen meine Eltern sehr gut mit den Partner_innen meines Bruders und mir aus. Meine Frau Mina, die Kinder und ich leben in Hamburg und haben engen Kontakt zu meiner Ex-Frau. Ich finde es toll zu sehen, was für eine Entwicklung meine traditionellen Eltern in den letzten Jahren gemacht haben.

Viele Menschen haben mir auf meinem Weg zum Coming Out geholfen. Zum Beispiel meine Ex-Frau Mareike, die mich gelehrt hat, selbstbewusst zu sein. Sie hat mich ermutigt, meine Meinung zu sagen und für Dinge zu kämpfen, an die ich glaube. Meine Frau Mina, die mich ermutigt, all die Dinge zu tun, an die ich wirklich glaube, und die mich so liebt, wie ich bin. Meine Kinder, die mich jeden Tag inspirieren. Es ist wichtig, seine Meinung zu sagen und ein Vorbild für junge Menschen zu sein. Ich wünsche mir, dass die nächste Generation noch fortschrittlicher ist, wenn es um Vielfalt und Integration geht.

Mein Unternehmen erlaubt es mir, so zu sein, wie ich bin. Das beeinflusst meine Arbeit. Ich könnte nicht für ein Unternehmen arbeiten, das mich zwingt, zu verbergen, wer ich bin. Authentizität ist der Schlüssel.

Liebe Jannette, vielen Dank für YourStory!
MYSTORY mit …

Manuela
62 Jahre, Bonn

„Als ich in den 90er Jahren im Fernsehen erstmals eine
Dokumentation über eine Trans* Frau sah, erfassten mich
Abwehr, Faszination und unstillbare Sehnsucht gleichermaßen. …“

Veröffentlicht: Mai 2022

Mein spätes Coming Out als Trans* frau…

Im Alter von 5 Jahren fiel mir das erste Mal auf, dass mit mir „etwas nicht stimmte“, als mich ein helles Gefühl der Freude erfasste, für ein Mädchen gehalten zu werden – gleichzeitig war ich darüber verwirrt und beschämt. Niemals hätte ich mit irgendeinem Menschen darüber sprechen wollen, genauso wenig darüber, wie schön ich es fand, auf dem Dachboden heimlich das Brautkleid meiner Mutter zu tragen. Weitere verborgene weibliche Vorlieben entwickelten sich, gleichzeitig verbunden mit einer starken Abneigung gegen männertypische Verhaltensweisen. Standhaft weigerte ich mich, Anzüge oder Krawatten zu tragen oder mich vor anderen Jungen in der Umkleide beim Sport auszuziehen. Anderseits wollte ich akzeptiert und nicht verspottet werden.

So legte ich mir bewusst männliche Hobbies zu und tat auch sonst alles, mein sich entwickelndes weibliches Inneres vor anderen zu verbergen.

Mädchen faszinierten mich immer sehr – ich bewunderte sie, wollte sein wie sie und verliebte mich in sie. Ich fand mit 19 Jahren meine große Liebe, mit der ich immer noch verheiratet bin und habe 3 wundervolle Kinder. Leider wurde mein Versuch, von meinen inneren Empfindungen zu erzählen, von meiner damaligen Freundin brüsk abgetan und so blieb ich mit meinen verborgenen Empfindungen und der sich in mir aufbauenden weiblichen Parallelwelt Jahrzehnte allein.

Als ich in den 90er Jahren im Fernsehen erstmals eine Dokumentation über eine Trans* Frau sah, erfassten mich Abwehr, Faszination und unstillbare Sehnsucht gleichermaßen. Mir war klar, dass mir hier ein Spiegel vorgehalten wurde. Anderseits empfand ich aber inneren Widerstand, da ich die Konsequenzen und Gefahren sah, wenn ich meinen Wünschen nachgeben würde. So legte ich mir ein Informationsbeschaffungsverbot auf, das ich mehr als 20 Jahre durchhielt, bis die Thematik transgender in den Medien so präsent wurde, dass ich nachgab und eine Internetrecherche begann, die mir nach kürzester Zeit die vermutete Eigendiagnose „transident“ bestätigte.

Danach kreisten meine Gedanken nur noch um meine Transgeschlechtlichkeit und ich begriff, dass an meinem Coming Out kein Weg mehr vorbei führte. Beginnend mit meiner Frau und meinen Kindern öffnete ich mich Freund_innen und wenigen guten Kolleg_innen und war über die weitgehend positiven Reaktionen und angebotene Unterstützung sehr überrascht, waren doch die Erzählungen im Internet meist von persönlichen Katastrophen gekennzeichnet. Dies galt nicht zuletzt für das Berufsleben, wo mir bei meinem Arbeitgeber RWE kein einziger vergleichbarer Fall bekannt war, was mir besondere Angst machte. So rechnete ich fest damit, in diesem männerdominierten, damals (wie ich zumindest dachte) recht konservativen Unternehmen meinen fachlichen und menschlichen Ruf zu verlieren sowie ausgegrenzt und verspottet zu werden.

Doch es kam ganz anders. Zuerst einmal rannte ich beim Bereich Diversity offene Türen ein, als ich dort um Unterstützung für mein Vorhaben bat, im Job die Transition zur Frau zu wagen. Endlich jemand, der sich bei RWE mit Namen und Gesicht offen dazu bekennt, transident zu sein, wurde mir gesagt, und gemeinsam ein Plan zum betrieblichen Coming Out erarbeitet, wofür ich mir Rückendeckung bis hinauf zum Vorstand holte. Nach persönlicher Vorabinformation einiger weniger Kolleg_innen und Vorgesetzter, zu denen ich ein besonderes Verhältnis hatte, versandte unser Vorstand während meines Urlaubes eine Mail an seine Führungskräfte, die es wiederum an ihre Mitarbeiter_innen verteilten.

Noch im Urlaub erreichten mich zu meiner Freude herzliche und Unterstützung anbietende Nachrichten, sodass meine Sorgen vor den Reaktionen der Kolleg_innen dahinschmolzen wie Schnee in der Sonne! Es folgten zahlreiche weitere Outing-Gespräche mit Menschen, die mir persönlich wichtig waren und bei denen ich besonderen Wert darauf legte, dass sie meine Geschichte verstehen und mich auf meiner Reise begleiten! Allerdings gehört auch erwähnt, dass ich einige Freund_innen verloren habe, die meiner Wandlung nicht folgen wollten, an deren Stelle ich aber wunderbare neue Menschen kennenlernen durfte.

Schwer war es ebenfalls für meine engste Familie, aber wir hielten zusammen und gingen den teilweise steinigen Weg gemeinsam.

Bei RWE entstand der Kontakt zu einer weiteren Trans* Frau, ein schwuler Kollege schloss sich an und wir gründeten das LGBT*IQ & Friends Netzwerk bei RWE, das inzwischen 225 Mitglieder hat. Uns verbindet inzwischen neben herzlicher Freundschaft das Ziel, es anderen Mitgliedern der LGBT*IQ-Community leichter zu machen, sich im Job zu outen. Hierzu leisten wir Hilfestellung und Beratung und stehen im engen Austausch mit anderen Firmen und LGBT*IQ-Netzwerken in Deutschland.

Es bleibt festzuhalten, dass mir meine Transition beruflich in keinerlei Weise geschadet hat. Im Gegenteil: Durch den offenen Umgang mit dem Thema Transidentität entstanden eine für mich bis dahin nicht gekannte gegenseitige Offenheit und zwischenmenschliches Vertrauen – was der Arbeitsatmosphäre mit internen wie externen Partner_innen bis heute sehr zugutekommt.

Liebe Manuela, vielen Dank für YourStory!

Der diesjährige IDAHOBIT und #MyStory

Der Internationale Tag gegen Homo-, Bi-, Inter*- und Trans* Feindlichkeit (IDAHOBIT) wird seit 2005 jährlich am 17. Mai begangen, um auf die Diskriminierung der LGBT*IQ Community hinzuweisen, Awareness für bestehende Ungleichheitsstrukturen zu schaffen und sich gemeinsam für Vielfalt und Toleranz zu positionieren. Der 17. Mai kennzeichnet den Tag, an dem die WHO 1990 Homosexualität aus dem Diagnoseschlüssel für Krankheiten strich.

Wir wollen heute und jeden Tag im Jahr die bunte Vielfalt der LGBT*IQ-Community feiern und haben deshalb das Format „MyStory“ ins Leben gerufen. Das Format gibt all den individuellen Geschichten, die queere Menschen tagtäglich erleben eine Bühne, denn wir sind der Meinung, dass jede_r etwas inspirierendes zu erzählen hat. Wir starten heute schon mit vier bewegenden Stories.

IDAHOBIT 2022

Facts

Studien belegen, dass arbeitsplatzrelevante Diskriminierungserfahrungen immer noch zum Alltag von vielen LGBT*IQ-Menschen gehören. Die 2020 veröffentliche Studie „Inter* im Office?!“ Die Arbeitssituation von inter* Personen in Deutschland unter differenzieller Perspektive zu (endo) LSBTQ+ Personen.“ von Prof. Dr. Dominic Frohn stellt fest, dass 37,7% der Befragten (endo*) trans* und/oder nicht-binären Personen, ca. 30% der inter* Befragten und ca. 20& der (endo* cis) LSB+ Personen direkt arbeitsplatzrelevante Diskriminierung , in Form von z.B. Absage des Arbeitsplatzes, Versetzung oder Kündigung, erfahren.

So ist es nicht verwunderlich, dass laut einer Umfrage der Boston Consulting Group (2018/19) 22% der Befragten ein Coming Out am Arbeitsplatz als potenzielles Karriererisiko sehen. 42% würden ihre Führungskraft bezüglich der eigenen sexuellen Orientierung und/oder geschlechtlichen Identität anlügen. Mehr Hintergrundinformationen und Studien zu LGBT*IQ (am Arbeitsplatz)

Support

Die Diskriminierung von LGBT*IQ-Menschen zeigt sich neben dem Arbeitsplatz auch noch deutlich auf weiteren gesellschaftlichen Ebenen. Setzen Sie sich mit diesen Themen auseinander und machen sich bestehenden Ungleichheitsstrukturen bewusst. Nur durch das Bewusstmachen dieser Strukturen und Missstände können auch Sie einen aktiven Teil zu deren Abbau beitragen. Die hier genannten Punkte stellen nur einen Auszug und keine vollständige Liste von Möglichkeiten dar, mit denen Sie Ihr Engagement für LGBT*IQ-Chancengleichheit und gegen Homo-, Bi-, Inter*- und Trans* Feindlichkeit starten können.

BLutspende

Bis heute werden schwule, bisexuelle und trans* Männer faktisch nicht zur Blutspende zugelassen. Die Richtlinie Hämotherapie der Bundesärztekammer besagt in ihren Anforderungen, dass „Personen, deren Sexualverhalten ein gegenüber der Allgemeinbevölkerung deutlich erhöhtes Übertragungsrisiko für durch Blut übertragbare schwere Infektionskrankheiten wie HBV, HCV oder HIV birgt“, für vier Monate kein Blut spenden dürfen. Bringen Sie beispielsweise Ihr Unternehmen dazu unser Positionspapier Blutspende zu unterzeichnen und sich weiteren Unerzeichner_innen anzuschließen.

EU LGBT*IQ Freedom Zone

2020 erklärten einige polnische Gemeinden und Städte ihre Region als so genannte „LGBT-freie Zonen“. Die Einrichtung von ganzen Regionen, in denen laut der Unterzeichner_innen keine LGBT*IQ-Menschen leben, ist ein klarer Angriff auf Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans* und inter* Menschen. Das Europaparlament hat als Reaktion darauf in einem ersten Schritt die EU als „LGBTIQ Freedom Zone“ erklärt, um ein deutliches Zeichen gegen die homophobe Rhetorik und Stimmungsmache gegen sexuelle Minderheiten in Polen, zu setzen. Informieren Sie sich zum aktuellen Geschehen diesbezüglich.

Selbstbestimmungsgesetz

Das aktuell geltende „Transsexuellengesetz“ (TSG) ist zutiefst diskriminierend und soll durch das Selbstbestimmungsgesetz ersetz werden. „Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat einen Gesetzentwurf „zur Aufhebung des Transsexuellengesetzes und Einführung des Selbstbestimmungsgesetzes“ (19/19755) vorgelegt“.

Grundgesetz für Alle

Fordern Sie die Ergänzung des Artikels 3 GG, denn LGBT*IQ-Menschen sind durch den Artikel 3 im Grundgesetz immer noch nicht geschützt. Viele Menschen aus der LGBT*IQ-Community erleben Benachteiligung, Ausgrenzung und Hassgewalt. Ein Schutz durch das Grundgesetz empfinden wir als unentbehrlich und somit gehört PROUT AT WORK zu den Erstunterzeichnenden des Appells „Ein Grundgesetz für Alle“. Unterschreiben Sie auch jetzt noch die passende Petition oder kontaktieren sie passende Abgeordnete.

Rechtliche Gleichstellung von queeren Familien

Setzen Sie sich für die Rechte und gegen die Diskriminierung von lesbischen Personen ein. Im Vergleich zu Kindern von heterosexuellen Paaren, muss die zweite Mutter ihr Kind erst adoptieren, um für eine rechtliche Absicherung zu sorgen – selbst wenn die Eltern verheiratet sind. Unterstützen Sie beispielsweise die Aktion nodoption, die sich gegen die Stiefkindadoption bei Regenbogenfamilien und für die Anerkennung der Elternschaft einsetzt.

MyStory

Wir sammeln Geschichten, die bewegen, unterhalten, inspirieren. Lest unsere ersten vier Geschichten schon heute und seid gespannt auf viele weitere!

Beratungsstellen

LesMigras

„LesMigraS ist der Antidiskriminierungs- und Antigewaltbereich der Lesbenberatung Berlin e.V.“

Gladt e.v.

„GLADT ist eine Selbstorganisation von Schwarzen und of Color Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans*, Inter* und Queere Menschen in Berlin, die sich gegen Rassismus, Sexismus, Trans*- und Homofeindlichkeit, Behindertenfeindlichkeit sowie andere Formen von Diskriminierung einsetzt und ein vielfältiges Beratungsangebot anbietet.“

Antidiskriminierungsstelle des Bundes

„Das Beratungsteam mit Jurist_innen kann Sie über Ihre Rechte in einem Fall von Diskriminierung oder sexueller Belästigung informieren, Ihnen Möglichkeiten aufzeigen, ob und wie Sie Ihre Rechte durchsetzen können, eine gütliche Konfliktbeilegung anstreben und versuchen, Ihnen wohnortnahe Expertinnen und Experten zu nennen.“

Bundesverband trans*

„Der Bundesverband Trans* (BVT*) versteht sich als ein Zusammenschluss von Einzelpersonen, Gruppen, Vereinen, Verbänden und Initiativen auf Regional-, Landes- und Bundesebene, deren gemeinsames Bestreben der Einsatz für geschlechtliche Vielfalt und Selbstbestimmung und das Engagement für die Menschenrechte im Sinne von Respekt, Anerkennung, Gleichberechtigung, gesellschaftlicher Teilhabe und Gesundheit von trans* bzw. nicht im binären Geschlechtersystem verorteter Personen ist.“

Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität e.V.

„Die dgti hat sich zum Ziel gesetzt, die Akzeptanz von Transidenten innerhalb der Gesellschaft zu fördern und deren Stigmatisierung entgegenzuwirken. Sie soll Betroffene und Interessierte beraten und betreuen, sofern dies gewünscht wird. Ein wesentlicher Aspekt der Arbeit sollte die (Re-)Integration von Betroffenen in den Arbeitsprozess sein, um so der Gefahr des sozialen Abstiegs zu begegnen, der heutzutage noch mit dem sozialen Wechsel verbunden ist. Sie tritt für mehr Offenheit der eigenen Identität gegenüber ein und trägt der Vielfalt menschlichen Daseins Rechnung.“

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